Die Demokratie verteidigen, bevor es zu spät ist
Sollte die Republik der AfD mit einem Verbotsverfahren zu Leibe rücken? Oder wäre das ein Irrweg? Wir haben uns bei politisch engagierten Menschen aus dem Raum Hechingen umgehört.
Seit den Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv ist vielen Deutschen klar geworden, dass AfD-Politiker ungeniert mit rechtsextremen Verfassungsfeinden gemeinsame Sache machen. Und seither diskutiert die Republik die Frage, ob man die AfD verbieten sollte. AfD-Verbot ja oder nein? Die HZ hat sich umgehört.
Pauli: Verbotsverfahren ist keine gute Idee
Der AfD mit einem Verbotsverfahren zu Leibe zu rücken, hält Landrat Günther-Martin Pauli für keine gute Idee. Dem gelernten Juristen schwant aus Erfahrung, dass ein solches Verfahren sehr langwierig und der Ausgang mehr als offen sein könnte. Ganz grundsätzlich ist Pauli überzeugt: „Eine Verbotskultur hat noch kein Land nach vorne gebracht.“ Auf die AfD bezogen, bestehe die Gefahr, dass eine „Verbotskeule“ eher noch Mitleid erzeugen und letztlich die Partei stärken könnte, die man eigentlich schwächen will.
„Bessere Möglichkeiten gegen Verfassungsfeinde“
„Unser demokratischer Rechtsstaat bietet bessere Möglichkeiten, um Verfassungsfeinde in den Griff zu kriegen“, meint der CDU-Politiker. Es gelte für die demokratischen Parteien eben, „ihre Performance zu verbessern“, sprich eine bessere, überzeugendere Politik zu machen. Dazu zählt für Günther-Martin Pauli insbesondere, „die Menschen in vielen Politikbereichen besser mitzunehmen“ und die herrschende „Überbürokratisierung und Überregulierung“ abzubauen. Im Übrigen rät er mit Blick auf den Rechtsextremismus zu Wachsamkeit, warnt aber vor Panik: „Das Grundgesetz bietet uns eine stabilere Verfassung, als die Weimarer Republik sie hatte“.
Ähnlich äußert sich Christoph Kühner, der Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes Hechingen: „Ich bin – aktuell – gegen ein Verbot der AfD. Solche Parteien leben vom Unmut und der Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. So etwas kann nicht einfach per Gesetz verboten werden. Wir müssen die Wählerinnen und Wähler mit vernünftigen politischen Lösungen überzeugen“.
Wadehn: Verbotsverfahren unbedingt prüfen
Ganz anders geht der Hechinger Antifa-Aktivist Walter Wadehn an das Thema heran. „Die AfD“, so betont der pensionierte Gewerkschaftssekretär, „ist eine extremistische, demokratiefeindliche und völkisch-rassistische Partei. Sie nutzt die Möglichkeiten der liberalen Demokratie aus, um diese Demokratie zu beseitigen. Ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sollte man jetzt unbedingt prüfen“. Bisher, so merkt Wadehn kritisch an, habe es nur einige wenige Berufsverbote für rechtsradikale Beamte bei der Polizei, im Schuldienst oder bei der Justiz gegeben. Da müsse man sich fragen: „Warum wurde der Extremisten-Erlass fast ausschließlich gegen Links angewendet?“ Effektiv wäre aus Wadehns Sicht ein schnelles Verbot der Jugendorganisation Junge Alternative und die finanzielle Austrocknung der AfD.
Es braucht „das hunderttausendfache Aufstehen“
„Die eigentliche Brandmauer gegen Rechtsextremisten und Faschisten der AfD“, so schließt Wadehn, „ist das hunderttausendfache Aufstehen aller Demokraten gegen die Feinde unserer Demokratie. Man muss die AfD öffentlich ächten, ihre Funktionäre politisch ausgrenzen und Faschisten auch Faschisten heißen, die nach 75 Jahren Grundgesetz wieder eine völkische Diktatur errichten wollen“.
Jürgen Fischer: Die AfD nicht zu Märtyrern machen
Zu den entschiedensten AfD-Gegnern der Stadt zählt zweifellos auch Jürgen Fischer. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Hechinger Gemeinderat vertritt aber einen betont pragmatischen Ansatz: „Ich bin schon so lange im politischen Geschäft. Man hat auch die Republikaner und die NPD verbieten wollen und ist immer gescheitert.“ Deshalb ist er nicht überzeugt, dass ein Verbot der richtige Weg wäre, „so unsäglich die Reden eines Erik Wille, eines Johannes Simon oder eines Björn Höcke auch sind“. Jürgen Fischer warnt davor, die AfD-Leute „mit einem Gerichtsverfahren zu Märtyrern zu machen“.
„Die Lügen der AfD nicht weiterverbreiten“
Am Ende, so Fischer, gelte es, die Menschen davon zu überzeugen, dass die AfD nicht wählbar sei. Dazu gehöre auch, nicht auf ihre Lügen hereinzufallen und diese selber zu verbreiten, so wie es leider auch CDU-Chef Friedrich Merz gerne tue, wenn er beispielsweise wahrheitswidrig behaupte, dass es lohnender sei, Bürgergeld zu kassieren als zu arbeiten.
Almut Petersen: Die wehrhafte Demokratie ernst nehmen
Die Menschen überzeugen? Almut Petersen glaubt nicht, dass das alleine ausreichen wird, um die AfD kleinzukriegen. „Man darf es nicht nur der Intelligenz des Wahlvolks überlassen“, ist sie mit Blick auf die Wirkmächtigkeit populistischer Reden überzeugt. Die Macherin des AK Asyl und Fraktionssprecherin der Bunten Liste mahnt eindringlich: „Wir müssen die wehrhafte Demokratie ernst nehmen.“ Der Blick auf andere Staaten, wie etwa die Türkei, zeige, wie schnell es gehe, dass demokratische Kontrollinstanzen „schleichend ausgeschaltet“ werden. „Wenn erst einmal Journalisten im Gefängnis sitzen und es keine unabhängige Justiz und keine freien Wahlen mehr gibt, dann ist es zu spät“, warnt Almut Petersen.
„Juristische Methoden zwingend notwendig“
„Ich bin unsicher, ob ein Verbotsverfahren der Weisheit letzter Schluss ist“, räumt sie ein. Am Ende bestätige es womöglich nur die Opferrolle der AfD. Und doch hält sie juristische Methoden für „zwingend notwendig“. Verfassungsfeindliche und strafrechtlich relevantes Verhalten müsse „wirklich verfolgt“ werden, und „Leute, die nachweislich unsere Demokratie schädigen wollten“, sollten nicht mehr wählbar sein dürfen.
Werner Beck: „Nichts unversucht lassen“
Politische und juristische Mittel – da geht auch Werner Beck mit. „Die Hürden, die unser Grundgesetz für ein Verbot einer Partei aufgestellt hat, sind aus gutem Grunde hoch“, sagt der Sprecher der Freien Wähler im Hechinger Gemeinderat. „Ein Parteiverbotsverfahren ist langwierig und sein Ausgang ist unsicher, wie uns das Verbotsverfahren gegenüber der NPD gezeigt hat“.
Dennoch, so Beck, sollte, ja müsse die demokratische Mehrheit in ihrer „Wehrhaftigkeit“ nichts unversucht lassen, um ihren Gegnern die Grenzen aufzuzeigen, und dazu gehört auch die Prüfung für die Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens gemäß Artikel 21 GG. „Sollte diese Prüfung positiv ausfallen, dann sollte auch das verfassungsrechtlich zugesicherte Mittel des Verbots einer Partei angewandt werden“.
Aufruf zur Kundgebung am 27. Januar
Wichtiger erscheint Beck indes, „dass sich jetzt die Zivilgesellschaft gegen Rechts erhebt“. Deshalb begrüße und unterstütze er ausdrücklich die Aktion „Hechingen schweigt nicht. Für Demokratie und gegen Extremismus“ an diesem Samstag, 27. Januar, auf dem Obertorplatz.
„Rhetorik und Positionen der AfD sind unübersehbare Warnsignale“, mahnt auch Werner Beck. „Viele dieser Leute meinen es Ernst mit der Abschaffung unserer Freiheit und Demokratie. Ich hoffe auf eine breite Beteiligung am Samstag, denn niemand sollte sich später einmal vorwerfen müssen, nichts unternommen zu haben“.