Widmann-Mauz soll Ministerin werden
Mittwochnachmittag, 15 Uhr, in der Hechinger SÜDWEST PRESSE Redaktion: Anruf aus Berlin. Am Apparat: Annette Widmann-Mauz. „Hallo, Frau Ministerin! Darf man gratulieren?“ Zu dieser Stunde wird die CDU-Abgeordnete des Wahlkreises Tübingen/Hechingen in den Online-Medien schon längst als designierte Gesundheitsministerin in der frisch vereinbarten GroKo gemeldet. Doch die 51-jährige Zollernälblerin wehrt ab: „Nein, nein, das ist reine Spekulation. Daran beteilige ich mich nicht.“
Mehr, so vermutet sie, erfahre man vielleicht am Abend, wenn der CDU-Bundesvorstand und die Unionsfraktion im Bundestag getagt haben. Doch gegen 20 Uhr – die Sitzungen sind inzwischen gelaufen – schwindet die Aussicht, an diesem Tag noch etwas Handfestes zu bekommen. Alkmar von Alvensleben aus Widmann-Mauz’ Berliner Büro verweist schulterzuckend auf das Kanzleramt. Von dort sei noch keine Ministerliste herausgegeben worden. Alles andere sei „hochgradig spekulativ“.
Die Spekulationen über eine mutmaßliche Gesundheitsministerin Annette Widmann-Mauz schüren zu diesem Zeitpunkt indes längst nicht mehr nur windige Boulevardmedien. Auch nationale Institutionen wie die ARD-Tagesschau melden unter Berufung auf GroKo-Verhandlungskreise mit Überzeugung, dass Annette Widmann-Mauz Angela Merkels Frau für die Gesundheit werde. Schon wieder scheint also eine Frau von der Zollernalb auf dem Sprungbrett in ein Ministeramt zu sein, nachdem erst vor anderthalb Jahren die Balingerin Nicole Hoffmeister-Kraut völlig überraschend das Wirtschaftsressort in Stuttgart übernommen hatte.
So überraschend wie jene Berufung kommt Widmann-Mauz’ bevorstehende Beförderung dagegen nicht. Sie erscheint vielmehr folgerichtig. Schließlich ist die Balingerin mit Ehemann aus Burladingen schon seit acht Jahren als Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerin Mitglied der Bundesregierung, erst unter dem FDP-Minister Philipp Rösler, dann seit 2013 unter ihrem Parteifreund Hermann Gröhe. Und nachdem der Badener Wolfgang Schäuble aus dem Finanzministerium auf den Stuhl des Bundestagspräsidenten gewechselt ist, will ja auch Baden-Württemberg in der neuen Koalitionsregierung wieder vertreten sein.
Und dann war da ja auch noch Merkels Ankündigung, den Frauenanteil im neuen Kabinett deutlich zu steigern. Was läge da näher, als die in ihrem Fachbereich sehr profilierte Bundesvorsitzende der Frauen-Union als Ministerin zu nominieren? Also: Widmann-Mauz wird’s wohl werden. Davon gehen sowohl gut informierte Hauptstadtjournalisten als auch die Medien im Wahlkreis Tübingen/Hechingen schwer aus. Die offizielle Bestätigung wird für den heutigen Tag erwartet. Letzte Einschränkung: Fix ist sowieso erst alles, wenn (und falls!) die SPD-Mitglieder bis zum 4. März dem Koalitionsvertrag zugestimmt haben.
Als dieser am frühen Mittwochnachmittag unterschrieben wurde, saß Annette Widmann-Mauz mit am Tisch. Denn sie war auf Unionsseite Verhandlungsführerin in der Arbeitsgruppe „Familien, Frauen, Jugend und Senioren“. „Es gibt Schöneres, als zwei Nächte durchzuberaten“, sagte die designierte Ministerin im Telefonat mit der SÜDWEST PRESSE. In der entscheidenden Nacht zum Mittwoch sei sie „irgendwann mal zweieinhalb Stunden schlafen gegangen“, denn: „Die Fensterbank in meinem Büro im Konrad-Adenauer-Haus war auf die Dauer doch zu unbequem.“ Am Donnerstag, wenn in ihrer schwäbischen Heimat wahlweise der Auselige oder der Schmotzige gefeiert wird, will sie „endlich mal ausschlafen“.
Vorher nutzte die Ministerin in spe aber noch jede Sitzungspause für Telefonate mit Journalisten, um die vermeintlichen Erfolge am GroKo-Verhandlungstisch zu rühmen. Dass dabei gerade in ihrem Ressort, der Gesundheitspolitik, noch zentrale Streitfragen – wie die gemeinsame Arzt-Honorarordnung für die private und die gesetzliche Krankenversicherung – in eine erst noch zu gründende Kommission verschoben wurden, ficht die (Noch-)Staatssekretärin nicht an. Widmann-Mauz stellt den Patienten „ganz konkrete Verbesserungen“ in Aussicht, unter anderem „weniger lange Wartezeiten“ in den Arztpraxen, eine verbesserte Notfallversorgung auch im ländlichen Raum und die dringend erforderliche Stärkung der Pflege.
Ganz aus Unionsperspektive hält sie fest: Die von der SPD gewünschte Bürgerversicherung werde es nicht geben – und auch keine Zusammenlegung der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung. Glücklich zeigt sich Widmann-Mauz auch über die Ergebnisse in der Familienpolitik, die ebenfalls in ihr Verhandlungsressort fiel. Was da erreicht worden sei, sei „Union pur“. Als Eckpunkte nennt sie eine Erhöhung des Kindergeldes, die Einführung eines Baukindergeldes, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter und den Gutschein für haushaltsnahe Dienstleistungen. „Ein richtig schönes, rundes Paket für die Familien“, freut sich die Verhandlungsführerin.
Und dann drängt die mutmaßliche Aufsteigerin des Tages auf ein Ende des Telefonats mit der Heimatzeitung. „A glickselige Fasnet“ wünscht die Älblerin aus Berlin – und eilt in die nächste Sitzung. Vielleicht meldet sie sich aber heute schon wieder – als auch offiziell designierte Ministerin. Pünktlich zur Weiberfasnet.