Jamaika: Zuversicht und Abwarten
Die direkt davon betroffenen Bundestagsabgeordneten im HZ-Gebiet unterscheiden sich zumindest derzeit schon noch. Annette Widmann-Mauz, wieder direkt gewählt im Wahlkreis Tübingen-Hechingen, äußerte am Freitag gegenüber der HZ Zuversicht: In den Grundfragen werde die Union mit den Grünen und den Liberalen „einen Zukunftsplan für ein erfolgreiches Deutschland und ein stabiles Europa erarbeiten können“. Die Parlamentarische Staatssekretärin zieht einen trefflichen Vergleich heran: „Zwischen Deutschland und Jamaika liegen über 8000 Kilometer Ozean. Ich bin überzeugt, dass sich die politische Distanz zwischen den beteiligten Parteien leichter überbrücken lässt.“ Dass es mit der Neuauflage der Großen Koalition einfacher gewesen wäre, lässt die CDU-Frau trotzdem durchblicken: Dass die SPD sofort hingeschmissen hat, bezeichnet sie als schlechten Stil. Und die „ungehobelten Äußerungen“ von Parteichef Schulz und der neuen Fraktionschefin Nahles blieben hoffentlich ein Ausrutscher, sagt Widmann-Mauz. Schließlich habe man bereits eine Partei im Parlament, „die mit inszenierter Respektlosigkeit und kalkulierten Tabubrüchen Stimmung macht.“
Von den Sondierungen mit Liberalen und Grünen erwartet die Christdemokratin Stabilität und Kontinuität in der Außenpolitik, im Inneren konsequente Kriminalitätsbekämpfung und Stärkung von Rechtsstaat und Polizei und den Ausbau der guten Wirtschafts- und Beschäftigungslage, um die sozialen Aufgaben weiter zu erledigen. Niemand dürfe sich abgehängt fühlen, und wichtig sei die Frage, welche Werte unsere Gesellschaft leiten.
Fraktionskollege Thomas Bareiß, erneut direkt gewählt im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen, bedauert den Ausstieg der Sozialdemokraten ebenfalls und nennt ihn „verantwortungslos und undemokratisch“. Es geht aber auch anders: Eine Jamaika-Koalition hält der Unionspolitiker für realistisch. Nun ja, die Inhalte müssten natürlich erst abgeklopft werden. Aber das tun die Parteien derzeit ja schon.
Chris Kühn, der wiedergewählte Grüne im Wahlkreis Tübingen-Hechingen, lehnt sich da etwas zurück. Er ließt die HZ am Freitag wissen: „Jetzt liegt der Ball erstmal bei CDU und CSU, die es ja gerade kräftig durchschüttelt.“ Der frühere Landesvorsitzende der Grünen, der eher dem linken Parteiflügel zuzuordnen ist, macht nicht in Euphorie, wenn er nach Berlin schaut. Es gebe keinen Automatismus von Sondierungsgesprächen zu Koalitionsverhandlungen, sagt Kühn. Ob man in Letztere gehe, das werde stark davon abhängen, ob Grüne Inhalte sich in den Gesprächen wiederfinden.
Die Inhalte müssen sich für den Abgeordneten in ihrer gesamten Breite widerspiegeln. Kühn: „Wir dürfen nicht nur das Öko-Anhängsel von Schwarz-Gelb sein.“ Auch in anderen Politikbereichen wie Wohnungs- oder Verkehrspolitik, aber auch der Europa- und Sozialpolitik, habe seine Partei gute Konzepte, die sie in die Verhandlungen einbringen werde.
Jamaika, das ist für Chris Kühn derzeit eher die Quadratur des Kreises. Die Bildung einer solchen Koalition werde kein leichtes Unterfangen, „weil die Schnittmengen der Parteien sehr weit voneinander entfernt sind.“