CDU Stadtverband Hechingen

Podiumsdiskussion in Hechingen

Fachkräftemangel: Was nützt Künstliche Intelligenz, wenn keiner das Kabel verlegt?

Ein ganz weites Feld beackerte der CDU-Stadtverband Hechingen mit seiner Podiumsdiskussion. Einigkeit bestand darin, dass das Problem ohne bessere Chancen für Frauen und ohne qualifizierte Zuwanderung kaum zu lösen sein wird.

Der Fachkräftemangel ist ein Problem, „das uns alle betrifft“, stellte die aus Stuttgart engagierte Moderatorin Denise Maurer fest: Das Lieblingsrestaurant hat nur noch an drei Tagen offen, der Bäcker und der Metzger bleiben montags zu, das mittelständische Unternehmen verschiebt Investitionen, Handwerker sind nicht zu kriegen, und die Stadt muss die Kinderbetreuung einschränken. Was wiederum Frauen am heimischen Herd oder in der Teilzeitfalle hält. Und was gesamtgesellschaftlich betrachtet die Gefahr enormen Wohlstandsverlustes birgt.

Eine Lanze für die Frauen

Die vielen Facetten des Problems beleuchtete zum Einstieg in die gut besuchte Podiumsveranstaltung der Hechinger CDU im Konstantinsaal des „Museum“ die Chefin der Balinger Arbeitsagentur, Anke Traber. Der Impuls, den sie setzte, war eine Lanze für eine gleichberechtigte Beschäftigung von Frauen. Nicht die Schulen und auch nicht das Ausbildungssystem werden es schaffen, die Lücken zu schließen, die aufgerissen werden, wenn die Baby-Boomer-Generation in Rente geht. Das größte Potenzial, „ein unglaubliches Potenzial“ für den Arbeitsmarkt steckt laut Anke Traber in den Frauen. „Aber Sie, liebe Männer, haben das noch nicht erkannt!“ rief sie in den Saal. Sie berief sich auf Umfragen, wonach 42 Prozent der Frauen mehr arbeiten würden, wenn die Kinderbetreuung und die Altenpflege bessere geregelt wären. Und wenn die Löhne nicht so schreiend ungerecht verteilt wären. Dazu sei es aber nötig, dass die Gesellschaft ihre Rollenbilder überdenke. Corona habe gezeigt, dass sich da nichts Wesentliches geändert habe: „Es sind am Ende doch die Frauen, die wieder in die Care-Arbeit zurückgehen.“

Die Generation Z verstehen

Ein weiterer Punkt, den Anke Traber machte: „Die Unternehmenskultur muss sich an die Generation Z anpassen.“ Die Babyboomer seien „fleißig, devot und karrieregeil“ gewesen. Die Generation Z, also die 20-, die 25-Jährigen von heute, „fragt nach dem Sinn“: Was ist ökologisch, was ist nachhaltig, wo liegen die Werte dahinter? Es sei „die Generation der Cherry-Picker – die gehen dahin, wo das Gras am grünsten ist“. Darauf müsse man als Chef oder Chefin Rücksicht nehmen, wenn man Mitarbeiter binden wolle.
In der Frauenfrage erhielt Anke Traber Schützenhilfe von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut: „Wir haben in Baden-Württemberg 6000 Ingenieurinnen, die nicht ihrem Beruf arbeiten können, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen.“ Das gelte es zu ändern durch flexiblere Ansätze, durch ein gerechteres Steuersystem – und indem man die Chancen nutze, die das Homeoffice biete: „Hugo Boss kriegt junge, internationale Designer nur, weil sie montags und freitags daheim arbeiten dürfen.“

Die Bäcker und Metzger fehlen

Die Ministerin machte aber noch ein anderes Thema auf: „Wir müssen mehr Begeisterung für die berufliche Ausbildung wecken. Abi plus Studium darf nicht länger der einzige Königsweg sein.“ Da rannte sie bei Jürgen Greß offene Türen ein. Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft klagte: „80 Prozent der Schulabgänger wollen studieren, und zehn Prozent wollen Influencer werden.“ Der Gesellschaft fehlten aber die Bäcker und die Metzger. „Das ist das Problem: Wir brauchen weniger Häuptlinge, mehr Indianer.“

 Auf „Soft Skills“ kommt es an

Thomas Bogenschütz, Medizintechnik-Unternehmer und Vorsitzender des Vereins Medical Valley Hechingen, wollte nicht einstimmen in das auch auf dem Podium gesungene Klagelied von den vielen jungen Leuten, die die Schule verlassen, ohne rechnen und schreiben zu können und den Bundespräsidenten auf einem Wandbild zu erkennen. „Die jüngere Generation“, so Bogenschütz‘ Erfahrung, bringe enorme digitale und kommunikative Kompetenzen mit. Er plädierte dafür, schon in der Schule „Soft Skills“ und die Fähigkeit, emotionale Intelligenz einzusetzen, zu vermitteln. Wenn die jungen Leute lernten, Quellen klug und kritisch zu hinterfragen, dann ergebe es Sinn, sich Künstliche Intelligenz (KI) im Arbeitsleben zunutze zu machen.

... oder auf andere Skills

 Was Jürgen Greß wiederum leicht mit dem Kopf schütteln ließ: „Wenn Sie keinen Elektriker haben, der Ihnen ein Kabel legt, dann nutzt Ihnen die ganze KI nichts.“ Im Handwerk reiche es in punkto „Skills“ komplett, wenn einer die Motivation mitbringe, seinen Beruf erlernen zu wollen. Im Übrigen sieht Greß die einzige Chance, in der Menge zu mehr Fachkräften zu kommen, in der qualifizierten Zuwanderung. Dass auf diesem Weg auch der Bürokratieabbau eine wesentliche Rolle spiele, fügte Nicole Hoffmeister-Kraut hinzu. Es könne nicht sein, dass eine ausgebildete Physiotherapeutin aus dem Kosovo eine einjährige Fortbildung brauche, um hierzulande arbeiten zu können – eine Fortbildung, die dann mitunter gar nicht angeboten werde.

Wenn nichts zu verdienen ist...

Und wie schafft man es, als Standort attraktiver zu werden? Da war Bürgermeister Philipp Hahn gefragt, der in Erinnerung rief, was eine Stadt wie Hechingen in Schulen, in Freizeitattraktionen und (ganz aktuell) in den Ausbau von Kitas investiere. Hahn gab aber zu bedenken: Die Infrastruktur sei das eine. Für das Personal sei damit aber noch nicht gesorgt. Solange Erzieherinnen während ihrer Ausbildung nichts verdienten, dürfe man sich auch nicht darüber wundern, dass dieser Beruf nicht attraktiv sei.

Denn auch der Generation Z nützen alle Antworten auf die Sinnfrage nichts, wenn sie von ihrer Arbeit nicht leben kann.