Starkes Zeichen für die Demokratie
„Für Demokratie, gegen Extremismus“ – unter diesem Motto haben am Samstag über 500 Menschen für eine politische politische Kultur demonstriert, die Grundgesetzes und Anstand respektiert. Akzeptieren mussten sie Gestank wegen eines Buttersäure-Anschlags.
Viele, die hier zusammenkamen, bekannten offen, dass sie noch nie oder schon lange nicht mehr demonstriert haben. Das sie diesmal dabei waren, dafür nannten viele die Berichte über ein geheimes Treffen in einem Potsdamer Hotel, wo unter anderem hochrangige AfD-Politiker mit Neonazis und finanzstarken Unternehmern Ideen zu einer groß angelegten Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland besprachen.
Mehrfach werden „Deportationsfantasien“ kritisiert
„Deportationsfantasien“ nannten das viele Redner am Samstag, „Wannsee“ war auf manchen Plakaten zu lesen. In der Wannsee-Konferenz 1942 hatten die Nazis die Auslöschung der Juden beschlossen. „Wehret den Anfängen“, sagte eine Demonstrantin, die sich auf ihrem Plakat als „Oma gegen rechts“ bekannte.
Als einzige Gemeinderatsfraktion nimmt AfD nicht an Hauptdemo teil
Die Initiative zur Hechinger Demonstration, die sich als überparteiliche Kundgebung verstand, war vom Hechinger CDU-Ortsverband ausgegangen. Bunte Liste, FDP, Freie Wähler und SPD machten mit. Als einzige Partei, die auch im Gemeinderat Sitze hat, war die AfD nicht vertreten. Sie hatte eine eigene Demonstration angemeldet, die mit etwa 20 Teilnehmern auf dem Postplatz stattfand. Mit welchem Ziel genau, blieb etwas unklar.
CDU-Ortsverband distanziert sich von Potsdam-Treffen-Teilnehmern
Warum die Initiative für die große Demonstration von der CDU kam? Es herrscht in der Partei wohl eine gewisse Erschrockenheit darüber, dass auch CDU-Vertreter bei dem umstrittenen Treffen in Potsdam dabei waren, bekannte unter anderem Daniel Jockisch vom CDU-Stadtverband, der Demonstrationsleiter war. Nun wolle man zeigen, dass das eine extreme und nicht akzeptierte Meinung in der Partei sei.
Aufrufe zum aktiven Eintreten für die Demokratie und für Engagement
Der Schulterschluss auf dem Obertorplatz funktionierte jedenfalls perfekt. Unter anderem Almut Petersen (Bunte Liste), Jürgen Fischer (SPD), Werner Beck (Freie Wähler) und Matthias Linckersdorff, hielten Reden. Alle verdeutlichten, dass Demokratie auch mitmachen bedeutet. Dass für Ämter zu kandidieren und zumindest an Wahlen teilzunehmen sehr wichtig ist, dass die aktuellen Institutionen in Deutschland vielleicht nicht perfekt sind, aber dass nur sie Meinungsfreiheit garantieren.
Gestank wegen verspritzter Buttersäure auf dem Platz
Eine eigene Note erhielt die Demonstration dadurch, dass jemand nachts Buttersäure auf dem Platz und einem Teppich vor dem Geflüchteten-Projekt Refugio verspritzt hat. Das stank nach Hundekot, war gegen die Demonstranten gerichtet und machte vielen aber klar, wie wichtig ihr Eintreten für Demokratie mittlerweile schon ist. Am Ende musste die Feuerwehr den Platz abspritzen.
Geflüchteter 18-Jähriger erklärt die Bedeutung der Demokratie
Es blieb eine Randnotiz. Ans Mikrofon traten an diesem Vormittag neben den Lokalpolitikern auch der evangelische Pfarrer Herbert Würth, der auch im Namen der katholischen Kirche sprach, Leonie Schneider-Loye vom Berufsschulzentrum, eine Vertreterin von Amnesty International, Giovanna Ciriello vom JUZ, die ihre Sicht als „Migrantenkind der dritten Generation“ aufzeigte. Viel Beifall erhielt der 18-jährige Jad Anter, der vor zehn Jahren aus Syrien geflüchtet ist und der klar machte, was es überhaupt jemandem bedeuten muss, in einer Demokratie leben zu dürfen. Betont wurde auch, dass Deutschland ohne Migranten gar nicht mehr funktionieren würde, und das viele Angst vor der Verrohung und Enttabuisierung der politischen Debatte haben.
AfD sieht Manipulation von Medien und „Scheindemokratie“ am Werk
Und was meinte das AfD-Grüpplein, das nicht weit entfernt Deutschlandfahnen hochhielt? Bildeten sie eine Gegendemonstration? Eine Frau beklagte, dass in Deutschland nur noch eine „Scheindemoratie“ herrsche, Internet-Informationen wurden als Beleg für alles mögliche herangezogen, am am Remigrations-Geheimtreffen hätten kaum AfDler teilgenommen, zeigte sich AfD-Gemeinderat Johannes Simon überzeugt, die Gesprächsinhalte dort seien manipuliert wiedergegeben worden, andere Parteien seien auch für die Ausweisung von Migranten. Eine klare Abgrenzung vom Gedankengut der „Remigration“ war jedenfalls nicht zu hören.