Vier Fraktionen keilen gegen die SPD
Im Streit um die Wahl des AfD-Kreisrates Hörner zum dritten Vize-Vorsitzenden des Kreistags werfen CDU, Freie Wähler, FDP und Grüne der SPD, die den Fall der Brandmauer beklagte, Doppelmoral vor.
Überregionale Schlagzeilen gemacht und in den sozialen Netzwerken wie auch in den Leserbriefspalten der Zeitungen für Zündstoff gesorgt hat die konstituierende Sitzung des neuen Zollernalb-Kreistages. Der Anlass: Der AfD-Kreisrat und -Landtagsabgeordnete Hans-Peter Hörner war in geheimer Wahl mit satter 41:13-Mehrheit zum dritten stellvertretenden Vorsitzenden des Gremiums gewählt worden. Harsch kritisiert hatte das Wahlverhalten der Kreistagsmehrheit die SPD Zollernalb, unterstützt von den beiden sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Robin Mesarosch und Martin Rosemann. Den „Fall der Brandmauer“, den Hörners Wahl darstelle, nannte die SPD-Kreisvorsitzende Katja Weiger-Schick „eine historische Schicksalsstunde für unseren Landkreis“. Mesarosch bezeichnete die Entscheidung der Kreistagsmehrheit als „rücksichtslos und geschichtsvergessen“, Rosemann machte speziell CDU und Freie Wähler für den „Dammbruch“ verantwortlich.
FDP und Grüne mit im Boot
Jetzt keilen CDU und Freie Wähler gegen die SPD zurück. Sie tun das aber nicht alleine, sondern werden demonstrativ unterstützt von FDP und Grünen. Eine gemeinsame Erklärung, die am Mittwochabend veröffentlicht wurde, ist von den Fraktionsvorsitzenden Frank Schroft (CDU), Ermilio Verrengia (FWV), Dietmar Foth (FDP) und Konrad Wiget (Grüne) unterschrieben.
In der Erklärung rechtfertigen die vier Fraktionschefs das Wahlergebnis mit „Respekt vor dem Wählerwillen“. Es sei mit ihrem „Demokratieverständnis nicht vereinbar“, ein Stellvertreter-Amt nur deshalb abschaffen zu wollen, weil es mit einem AfD-Kreisrat besetzt werden könnte. Es gelte, sich mit der AfD inhaltlich auseinanderzusetzen und nicht „parteitaktische Sperenzchen und Mauscheleien“ zu betreiben. Der SPD werfen sie „doppelmoralisches Verhalten“ vor, weil auch ihre Kreisräte sich mit AfD-Stimmen in Ausschüsse und Gremien wählen ließen. So liest sich die Erklärung von Schroft, Verrengia, Foth und Wiget im Wortlaut: „Am 9. Juni 2024 fanden die Kommunalwahlen für die Legislaturperiode 2024 bis 2029 statt. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind Ausdruck und Spiegelbild des Wählerwillens. Das gilt ausnahmslos für alle demokratisch zugelassenen Parteien. Insofern stimmen wir mit Landrat Günther-Martin Pauli überein, dass zur Demokratie auch der Respekt vor dem Wählerwillen gehört. Alle gewählten Kreistagsmitglieder haben den gleichen Wählerauftrag. Die Einstufung der AfD als in Teilen rechtsextremistisch hat bislang nicht dazu geführt, die AfD zu verbieten und ihre Zulassung zu demokratischen Wahl zu untersagen. Das Ansinnen der SPD, die Position des dritten stellvertretenden Vorsitzenden des Kreistags im Nachgang der Wahlen mit der Begründung abzuschaffen, dass diese mit einem AfD-Kreistagsmitglied besetzt werden könnte, ist mit unserem Demokratieverständnis nicht vereinbar. Sofern Konsens darüber besteht, diese Position begründet abzuschaffen, sollte dies vor den Wahlen klar kommuniziert und aus Gründen der Transparenz und Akzeptanz rechtzeitig öffentlich argumentativ diskutiert werden. Alles andere könnte dazu führen, dass noch mehr Bürgerinnen und Bürger Zweifel am uneigennützigen Engagement der Politikerinnen und Politiker bekommen. Die Menschen im Land haben genug von parteitaktischen Sperenzchen und von Mauscheleien. Das ist unserer Demokratie nicht zuträglich und könnte insofern kontraproduktiv sein, als es die extremistisch-populistischen Parteien weiter stärkt.
Gefragt ist eine am Wohl der Bürger orientierte Sachpolitik und die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD. In einer Demokratie müssen zur Erreichung von Zielen Mehrheiten gebildet werden. Das ist dann möglich, wenn ausreichend gemeinsame Schnittstellen gegeben und ein gemeinsames, tragendes Politik- und Demokratieverständnis vorhanden ist. Für uns steht fest: Hier trennen uns von der AfD unüberwindbare Welten. Wir werden die AfD inhaltlich und in ihrem Demokratieverständnis auf den Prüfstand stellen und, sofern es erforderlich ist, den Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen, wofür die AfD steht und von welchem Menschenbild sie geprägt ist. Die Widersprüchlichkeit der SPD zeigt sich darin, dass sie das Amt des dritten stellvertretenden Vorsitzenden als „herausragendes politisches Amt“ bezeichnet und gleichzeitig dieses abschaffen will. Das ist ein klassisches Eigentor. Darüber hinaus verwundert es, woher die SPD ihre „seherischen“ Fähigkeiten bezieht, zu wissen, wer in geheimer Wahl wie und für wen votiert hat. Damit diffamiert die SPD die anderen demokratischen Fraktionen im Kreistag. Wir raten der SPD daher dringend, in dieser Hinsicht verbal abzurüsten.
„Bärendienst“ für Demokratie
Wenn Spekulation zu Politik wird, entstehen Vertrauensdefizite. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg hat der SPD-Fraktionsvorsitzende durch die Weitergabe von Informationen aus informellem Schriftverkehr und aus internen Gesprächsrunden der Fraktionsvorsitzenden mit Landrat Pauli schwer beschädigt. Damit erweist die SPD der Demokratie und der bisher konstruktiven und an der Sache orientierten kommunalpolitischen Zusammenarbeit auf Kreisebene einen Bärendienst. Sofern es die Sozialdemokraten mit ihrer Kritik zum Ausgang der Stellvertreterwahl ernst meint, ist es für uns unverständlich, warum die SPD den Antrag zur Abschaffung des dritten stellvertretenden Vorsitzenden des Kreistags nicht aufrechterhalten hat.
Darüber hinaus wäre es der SPD unbenommen gewesen, einen eigenen Kandidaten beziehungsweise eine eigene Kandidatin für die Besetzung dieses Postens vorzuschlagen. Auch erkennen wir keinen Unterschied darin, wenn, wie am besagten Montag ebenfalls geschehen, die Mitglieder der SPD-Fraktion mithilfe aller Stimmen der AfD in die Ausschüsse des Kreistags und in Organe und Gremien anderer Körperschaften, Anstalten und Organisationen, die durch den Kreistag zu besetzen sind, gewählt werden. Insofern werfen wir der SPD doppelmoralisches Verhalten vor. Die Mitglieder unserer Fraktionen haben nach den im Wahlrecht festgelegten Grundsätzen in freien und geheimen Wahlen ganz persönlich darüber gestimmt, wem sie ihre Stimme geben. Insofern sollten wir auch der Demokratie und der Vernunft unserer Kreistagsmitglieder vertrauen.“ Soweit die Stellungnahme.