Politischer Aschermittwoch: Demut statt Kraftmeierei
Politikverdrossenheit? Keine Spur davon bei der CDU-Basis in Hohenzollern und im Steinlachtal. Mehr als 250 Gäste füllten beim Politischen Aschermittwoch die Remise des Hofguts „Domäne“. Etliche von ihnen mussten sich mit einem Stehplatz begnügen.
Vielleicht waren einige von ihnen gekommen, um zu erfahren, ob die Wahlkreisabgeordnete Annette Widmann-Mauz denn nun tatsächlich Gesundheitsministerin in der neuen Bundesregierung wird, wie es die Spatzen von den Berliner Dächern pfeifen. Doch die Gastgeberin des Abends tat einen Teufel, sich aufs Namenskarussell zu setzen.
Warum sie es klugerweise vermeidet, sich an Spekulationen um ihre Person zu beteiligen, das war aus einer Bemerkung des Gastredners herauszuhören. Carsten Linnemann, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, sprach das Vertrauen an, das der gewesene SPD-Parteichef Martin Schulz gerade eben erst zerstört habe: „Erst das Land, dann die Partei, dann die Person“ – diese Devise glaube einem Politiker so schnell keiner mehr, nach all dem, was in den letzten zwei Wochen passiert sei. Deshalb sein Appell an die ganze politische Klasse: „Wir sollten Demut zeigen.“
Zur Demut – eine Tugend, mit der sich die Fastenzeit bestens bestreiten lässt – gehörte für die Parteigänger gestern Abend zunächst einmal das Warten. Carsten Linnemann hatte sich nämlich erheblich verspätet. Am Morgen war er der Gast aus Paderborn noch beim Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau gewesen, und in Nürnberg hatte er den Anschlusszug nach Stuttgart verpasst. So wurde es 20.10 Uhr, bis er in der „Domäne“ den Saal betrat.
Die Zeit bis dahin überbrückten zunächst die „Steinlach Stompers“ mit flotter Dixie-Musik und dann lokale Redner. Die neue Hechinger CDU-Stadtverbandsvorsitzende Melanie Homberger sprach den Menschen im Saal aus dem Herzen, als sie feststellte: „Die letzten Wochen waren für uns alle nicht einfach.“ Viele Menschen würden sich fragen, „ob die Koalitionsverhandlungen wirklich in unserem Sinne waren.“ Philipp Hahn, Erster Beigeordneter der Stadt Hechingen, wärmte die Seelen der örtlichen Christdemokraten, als er feststellte, dass der Politische Aschermittwoch in Hechingen der zweitgrößte der CDU Baden-Württemberg nach Fellbach sei, und als er Annette Widmann-Mauz als „verlässliche Ansprechpartnerin“ für die Anliegen der Städte und Gemeinden im Wahlkreis rühmte.
Widmann-Mauz gab diese Blumen zurück und wünschte dem Parteifreund Hahn, dass auch seine Zukunft „sich positiv in unserem Sinne weiterentwickelt“ – eine zarte Anspielung auf dessen mögliche Bürgermeister-Ambitionen.
Und dann war die Parlamentarische Staatssekretärin schon mitten drin, ihrem Publikum zu erklären, warum Deutschland so dringend wieder eine stabile Regierung brauche und warum dies nur mit der Union gelingen könne. Aber auch hier: Keine Aschermittwoch-typische Häme. Der Umfrage-Absturz der SPD („näher an 15 als an 20 Prozent“) sei „kein Grund zur Schadenfreude“.
Nur für die FDP, die Jamaika platzen ließ, hatte Annette Widmann-Mauz ein wenig Gift übrig. Vom Schiff „MS Deutschland“, über das die Rednerin bildhaft sprach, seien die Liberalen so schnell in die Rettungsboote gesprungen, „so schnell konnte man gar nicht gucken“. Aber dieser Abgang sei so verwunderlich gar nicht gewesen: „Denn im Maschinenraum macht man sich schmutzig, und im scharfen Wind auf Deck geht einem rasch der Atem aus, wenn man so enge Anzüge trägt wie diese Herrschaften“, spöttelte sie über Christian Lindner und Co.
Den mit der SPD geschmiedeten Koalitionsvertrag verteidigte Annette Widmann-Mauz als „verantwortbares Werk“, auf dessen Basis viel Gutes für das Land und die Menschen getan werden könne. Auch die Verteilung der Ministerien rechtfertigte sie: Die „Modernisierungsachse“ der neuen Regierung sei von der Union geprägt. Der Verlust des Finanzministeriums schmerze zwar auch sie, aber dieses sei „kein Erbhof“ der Union, und auch ein SPD-Finanzminister sei an den Koalitionsvertrag gebunden.
Dann war Carsten Linnemann da und warb aus seiner wirtschaftspolitisch-mittelständischen Sicht für die Notwendigkeit einer starken Regierung. Er sang – unter großem Beifall – das Loblied der Mittelständler und Familienunternehmer als „Fundament Deutschlands, das wir nicht kaputt machen dürfen.“ Auch für den Mittelstand habe der Koalitionsvertrag einiges zu bieten. Unter anderem nannte er das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz („Das hat nichts mit Flüchtlingen zu tun“), den eingeleiteten Bürokratie-Abbau und die geplante Wiedereinführung des Meisterbriefes.